Dienstag, 5. Juni 2018

Der seltsame Mann, der angeblich aus dem Menschenland kam.

«Wo bitte schön kommen Sie genau her?», fragte der Beamte den Reisenden mit unberührter Mimik von seinem Grenzposten aus, den es anderswo vielleicht gar nicht gibt oder nicht gäbe, wäre die Geschichte eine andere gewesen und nicht durch ewige Kriege um auserwählte Gebiete vielen Menschen der Weg durch Grenzen verbaut.
Doch so schön es auch wäre, die Welt ist vollgebaut mit Mauern und Zäunen und haushohen Heckensträuchen, hinter denen sich unbekannte Nachbarn verstecken.

«Ich stamme nicht aus England, Griechenland oder Thailand, ich komme aus dem Menschenland und dies ist gar nicht unbekannt», antwortete der Mann mit nicht wenig Stolz und strahlenden Augen, als würde er von einem magischen Ort berichten.

«Doch wo bitte schön soll dieses Land denn liegen?», fragte der Beamte irritiert hinter den Glaswänden seines Grenzschalters heraus.
Das ist selbst für mein geschultes Geographiebild ein doch seltsam unbekanntes Land. Selbst den Titicacasee mit seinem ganz lustigen Namen, kann ich geographisch auf unserer Welt benennen, aber nun beschleicht mich langsam das Gefühl, sie wollen hier einen harmlosen Beamten veräppeln.»

«Nun muss ich mich aber über ihr weltliches Unwissen wundern», entgegnete der unbekannte reisende Mann überaus verdutzt, "denn dies ist doch ein überaus grosses Land.
Es erstreckt sich vom Nordpol, bis gar an den Südpol und einmal rund um den gesamten Äquator. Es ist bereits vor 4,6 Milliarden Jahren entstanden, mag man der Theorie des Urknalls glauben.
In diesem wundervollen Land scheint immer die Sonne, täglich mal hier und dann wieder da und schon alleine diese Tatsache ist einfach wunderbar.»

Stirnrunzelnd schaute der Beamte aus seiner Kabine. Alles, was er wolle, war doch nur einen Pass.
Fragend entgegnete er:
«Doch was hat das alles mit Ihren fehlenden Papieren zu tun?
Die Anekdote ist zugegeben ganz unterhaltsam und auch Sie scheinen eine ganz interessante Person zu sein, aber dieser Traumpass aus Ihrer Märchenwelt führt Sie leider nicht über diesen Grenzzaun in unser wunderschönes und reales Land hinein.»

«Ja, was muss ich denn machen, um auf dieser Erde weiterkommen zu können?
Schauen Sie sich Vögel an, die gerade über diese Grenze fliegen.
Haben sie etwa einen Pass gezeigt, bevor sie zu euch in die Lüfte stiegen?
Ich glaube kaum, und so gewähren Sie den Vögeln mehr Rechte als mir sich fortzubewegen und selber Ihre Routen zu wählen auf dieser Erde.
Mein Pass ist nicht viel wert auf dieser Welt. Über den Wert habe leider nicht ich zu entscheiden, doch könnte ich es, so hätten alle Menschen die gleichen Rechte.
Das Recht darauf, die ganze Welt zu sehen, die einst für uns alle geschaffen wurde, bis der Mensch seine Fussabdrücke in jedem Winkel hinterliess, sich einschloss und andere ausschloss vor grossen Mauern und sich das Recht nahm, die Erde zu übernehmen und ihr willkürlich Regeln aufzuerlegen.
Doch ich stehe hier vor Ihrer Grenze und stand schon so oft auf meiner Reise an Zäunen, die mir den Weg in andere Länder verbaute.
Soll ich jetzt einen Krieg beginnen, nur damit Sie mich auf die andere Grenzseite bringen?
Nein, das mache ich nicht und hoffe bis in die Ewigkeit darauf, dass die Zeit der Vernunft irgendwann beginnt und der Erde auf vollständiger Weltbürger werde."


Mögen die Menschen überall auch etwas anders sein, oder besser gesagt jeder einzigartig sein, so stammen wir doch alle von derselben Erde und sollten uns voreinander nicht hinter Mauern verstecken, sondern gemeinsam unseren Horizont erweitern.

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