Sonntag, 27. November 2016

Das beleidigte Einhorn

Das Einhorn erwachte und war nicht gut drauf.
Schien ihm doch jeden Morgen stets immer die Sonne aus dem Popo, war es seit einigen Tagen ein miesepetriges Wesen.
Um ganz genau zu sein: Ein Fabelwesen.
Und das war leider auch den Profitgeiern nicht entgangen und kam ihnen nun für mehr Umsatz nun ganz gelegen.

Überall sah es nun sein Ebenbild und wurde angelacht von seinem einhörnrigen, lachenden Gesicht. Das wäre ja auch noch in Ordnung gewesen, denn es hatte sich in seinen Erdentagen mittlerweile schon daran gewöhnt, dass die meisten Menschen Esoterik und Fabelwesen, um Kummer und Sorgen loszuwerden, von Herzen gerne verehrten.

Aber dümmlich lachend auf einer Ritter Sport?
Am Abend dann schnell in den Mund gestopft während des inhaltlosen Fernsehprogrammes.
Für sowas wurde sein Mythos jetzt verkauft?
Warum stand es morgens eigentlich noch auf?

Sport ist Mord! Speckt lieber ab mit einer schokoladigen Einhorn-Ritter-Sport?

Nun war die wundersame Ritter-Sport also schnell ausverkauft, denn die Menschen hatten, wie in einem Anflug von Weltuntergangsstimmung, in Windeseile die Regale leer gekauft.
So wähnte sich das Einhorn schon wieder in seiner gewohnten Ruhe, doch die Marketing-Industrie nimmt leider keine Rücksicht auf das Seelenleben verträumter Fabelwesen und so ging es auch schon gleich weiter mit der strategischen Verkaufsspinnerei.
Da kam also das Einhorn-Duschgel in die Drogerie-Regale und setzte dem Ganzen Hype die Krone auf.

Das edelste aller Fabelwesen war es doch einmal gewesen in scheinbar bereits vergessenen Zeiten.
Es heilte von Krankheiten, neutralisierte Gifte und hatte magische Kräfte.
«Fabelhaft, das bin ich doch, aber in verträumter Fantasie und nicht in eurer endlosen, irdischen Profitgier», dachte sich das Einhorn in einem Anflug von unbekannter Verzweiflung.

Mit seiner Tiefenentspanntheit war es vorbei, drum las es nun doch einmal, was der Einhorn-Schmuh so auf sich hatte.

Ignoranz war das Laster der Welt und so wollte sich das Einhorn der bitteren Wahrheit stellen.
Was hatte es wohl mit diesem menschlichen, kunterbunten Einhorn auf sich?

Beim Studieren der Lektüre viel dem Einhorn vor Schreck doch fast sein Einhorn von der Stirn.
Adipöse Züge habe das süsseste Einhorn des Universums also, esse zu viele Zuckertörtchen und das Duschgel brauche es, um sich den bunten Glitzer und den Zuckerstaub vom Fell zu waschen.
So sah man also das einst so stolze Fabelwesen? Glitzer- und Zuckerorgien?
Nun wünschte auch das Einhorn sich zum Trost eine Kummer Ritter-Sport.

Dass ein echtes Einhorn mit wahrem, mythischem Charakter weder pathetisch ist, noch sein schönes, weisses Fell in der menschlichen Glitzerwelt zur Schau stellt und dort mit dubiosen Schönheitsidealen verschandelt, dass verstand der Mensch anscheinend nicht.

«Für Träumereien und Gedanken, dafür waren wir doch da. Um nicht Trübsal zu blasen, an dunklen Tagen, die Gedanken mit bunteren Farben zu beschenken, aber nicht auf einer dämlichen Verpackung zu enden.
Die Welt vor den menschlichen Abgründen zu retten und in schlechten Zeiten Phantasiewelten zu entdecken», das dachte sich das Einhorn betrübt.

Aber warum mussten die Menschen mit allem immer so schrecklich übertreiben?
Die Grenzen ständig überschreiten?
Selten war ihnen etwas genug. Alles brauchte es im Überfluss.
Das einzig sinnvolle, was sie dann doch noch zustande brachten waren vegane Einhorn-Kondome. Sein Horn wurde hier zwar auch ziemlich zusammenhangslos missbraucht, aber
lieber sicher aus einer durchzechten Nacht als bitterböse erwacht.

Da musste es heutzutage immer der neueste technische Fortschritt sein. Selbst die Kaffeemaschinen hatten mittlerweile anscheinend ein autonomes Gehirn.
Doch sobald auf irgendeiner Verpackung das Einhorn blinkte, verfiel man wieder in düsteres Mittelalter und überließ sich kampflos der Verkaufsindustrie.

Ein wenig beleidigt war das Einhorn nun schon, aber es wollte sich davon seine kostbare Zeit nicht versauen.
Sollten sie sich doch die Füsse mit dem Fusel waschen oder ihr Geld in sinnlose Einhorn-Artikel verprassen.
Es brachte sie sicher auf Dauer nicht zum Lachen.

So trug das Einhorn seinen Kopf wieder hoch und entfloh in Gedanken diesem merkwürdigen Ort.



… «nicht mit mir», dachte es mit Schreck und schwupps, war es weg.


Sonntag, 20. November 2016

Ob Prince und Amy wohl gemeinsam im Himmel lachen?

«Exzesse sind Teil meiner Natur, Stillstand eine Krankheit», sagte Freddy Mercury 1977.

Nun ist er tot. Schon lange nicht mehr da.

Es gibt wohl Menschen, die leben so. Auf eine extreme, eigensinnige, exzentrische Weise, denn ihre Welt scheint eine andere Realität.
Sie ist nicht unbedingt auf einem anderen Stern, wie viele es doch manchmal meinen, doch auch nicht so ganz auf dieser Welt.
Sie können oft nicht anders und saugen das Leben in sich auf, als gebe es kein Morgen mehr.

Worte versuchen sie zu finden für ihr schmerzliches Dilemma und ihr einzig verzeihender Freund und Zuhörer, scheint ihre kreative Kunst.
Jeder Tag und jede Minute geht für ihre Schöpfung drauf.
Sie schreiben Gedichte, Bücher und Lieder, müssen ständig ihren Kopf von diesen inspirierenden Gedankenexplosionen entleeren, in denen sie so unerschrocken ehrlich sein können.

Mit ihren inspirativen Werken können andere Menschen für eine kurze Zeitspanne ihrem Alltag entfliehen, doch für diese anders denkenden Menschen, die Schöpfer und Freigeister, manchmal auch Spinner oder einfach nur ängstliche Genies, die sich hinter ihren Worten verstecken, gibt es oft nur den Weg der Selbstzerstörung, um ihr irdisches Trauma für eine Weile zu vergessen.

Darum sterben diese kreativen Köpfe leider oft viel zu früh.

Nun tanzen sie vielleicht hoffentlich im Himmel weiter.

Ob sie wohl weiterhin ihre wilden Exzesse haben? Oder haben sie vielleicht ihren inneren Frieden gefunden?

Sollte es nicht dort auch ein paar Leute geben, die ab und zu mal nach dem Rechten sehen?
Bud Spencer ist vielleicht mit von der Partie und katapultiert potentielle Verbrecher an einen anderen Ort.
Zwei Fäuste für ein Halleluja. Der Mann bringt schließlich Fachwissen mit und trägt das Herz auch noch am rechten Fleck.

Amy Winehouse rockt endlich wieder tanzend das Mikrophon und auch unsere Legende Prince schaut nicht einfach nur untätig zu.

Jetzt ist es dort oben vorbei mit der ewigen Ruhe.
Michael Jackson macht sowieso schon seit einer Weile den Moonwalk an diesem besonderen Ort und freut sich sicher über ein paar neue Talente.

Auch für herzhaftes Lachen ist gesorgt, denn unser geliebter Robin Williams fehlt uns zwar auf Erden, doch nun kann er ein ganzes Himmelreich mit seinen Komödien und mit seinen unendlichen Späßen versorgen.

Es wird ein ewiges Lachen sein. 
So zumindest stelle ich es mir vor, dieses außergewöhnliche Zusammentreffen und ich hoffe es gibt dort noch Platz in dieser wunderbaren Runde, für meine geliebten, verstorbenen Freunde.

Gemeinsam feiern und lachen ohne die zerstörenden Exzesse, denn die hat man zum Glück irgendwo auf der Welt vergessen.
Das Leben hatte sie zu so mancherlei Dingen verführt, doch schlummerte in ihnen wahrscheinlich einfach nur ein sensibler Kern.

Nun sind ihre einstigen Ängste endlich verflogen, doch ihre Feier geht weiter auf einem anderen Stern.

Sonntag, 6. November 2016

Das eigensinnige Blatt im Wind

Ich sass auf einer Bank. Gedankenverloren betrachtete ich das Wolkenspiel. Der Sommer wechselte sich so langsam mit dem Herbst ab. Die Jahreszeiten gaben sich bereits die Hände, jedoch ohne Hast. Sie schienen einverstanden mit dem alljährlichen Tausch und die Sonne suchte sich ein anderes Plätzchen auf dieser Erde.

Teilen ist nicht des Menschen grösste Stärke, doch die Natur spielt immer noch ihr eigenes Spiel, und so müssen wir uns Jahr für Jahr, zumindest auf unserem Breitengrad, von der Sonne wieder verabschieden, die uns nur noch für ein paar Stunden täglich begrüssen würde für eine lange Zeit und nun die andere Erdhalbkugel zum Strahlen und zum Schwitzen bringen würde. Sie gehörte eben nicht nur uns, sondern einem ganzen Universum.

Und so sass ich auf dieser Bank und schaute zu, wie sich die Erde allmählich der Sonne abwandte und eine neue Jahreszeit einläutete. Doch noch waren ihre wärmenden Strahlen da und der Abschied kam zum Glück ganz schleichend. Noch spürte ich die leichte Wärme im sonnengebräunten Gesicht, das von diesem langen Sommer zeugte, seinen endlosen Tagen und kurzen Nächten, und so streckte ich mich gen Sonne, um noch ein wenig dem Jahreszeitenwechsel zu trotzen, bevor ich im langen Winter der Berge wieder zu einem Eskimo mutieren würde.

Es wehte bereits ein lauer Wind und kündigte den Herbst an. Er fegte durch die langsam rötlich werdenden Baumkronen und nahm die Blätter und auch ihr Chlorophyll mit auf seine Reise. Weiter zog er über die Felder mit unbestimmtem Ziel und schlich sich dabei sanft durch mein Haar.

Ein einzelnes Blatt wehte durch die Luft an mir vorbei. Ich folgte ihm mit meinem Blick, dem rötlich leuchtenden Blatt, das der Baum schon abgeschüttelt hatte und nun auf die Erde fallen sollte.

Endgültig.

Doch es schien sich seinem Schicksal nicht beugen zu wollen. Andere Blätter landeten auf dem Boden, legten sich nieder. Nicht in den Winterschlaf, sondern in den ewigen Schlaf. Sie hatten sich ihrem unausweichlichen Ende gefügt, nach einem kurzen Tänzchen in der Luft.

Doch dieses Blatt wollte noch ein wenig die Welt entdecken, gab nicht auf und trotzte dem Boden und seinen ehemaligen Baumkronengefährten. Es schien sanft, wie in Einklang mit den Winden zu schweben, schnellte dann plötzlich dem Abgrund entgegen.

Waren nun auch seine Tage gezählt?

Ich fieberte mit auf meiner Bank, doch der Wind meinte es gut mit dem ehrgeizigen Blatt und schenkte ihm, vielleicht als Dank für so viel Lebensfreude und Mut, neuen Auftrieb in luftige Höhen.

So setzte es sein Spiel fort, mal hier, mal dort.

Nur der Tanz eines Blattes im herbstlichen Wind. Doch wie gerne wäre ich das Blatt gewesen, um mich einfach mal schwerelos im Winde zu bewegen. Mal ganz ziellos durch die Lüfte schweben, denn der Weg entscheidet sich allein im Wind.

Nur auf den Boden fallen darf das Herbstblatt nicht, es muss weiter mutig in den Winden gleiten, dem Winter noch ein wenig trotzen und die letzten bunten Tage auskosten.

Als ich schon lange dasaß und die Sonne langsam ihre letzten Strahlen zum Abschied in tiefem Rot erstrahlen ließ, da schien das Blatt müde geworden und ließ sich schließlich doch langsam gen Boden gleiten. Ein wunderbar herbstlich duftender Laubhaufen raschelte im Wind und schien es schon willkommen zu heißen. Doch das Blatt war skeptisch und schien abzuwägen. Es machte so viel Spaß in den Lüften zu tanzen.

Am Liebsten für immer wäre es gen Himmel geflogen und hätte mit dem Winde getanzt, doch warteten auch seine Freunde bereits auf den kleinen Ausreißer, der schon als kleiner, frühlingshafter Sprössling nicht an dieser Baumkrone hängen wollte.

Stets schaute er hinaus in die weite Welt, doch war er ja nur der kleine, vergängliche Teil eines großen Baumes und davon wollte er nichts hören. Nun aber, nachdem er die Reise gereist war, länger als jedes Blatt zuvor, war er müde geworden und sehnte sich nach seinen Gefährten, die ihn bereits erwarteten.

Sie konnten ihm zwar nicht von der großen, weiten Welt und der endlosen Schwerelosigkeit im Wind erzählen, aber sie konnten ihm erzählen, was für ein Spaß ihn noch alles erwarten würde in so einem riesigen, bunten Laubhaufen, bevor sie wieder Teil der großen Erde werden würden und ihm seine Angst davor nehmen.