Dienstag, 17. Mai 2016

Das Rätsel der Vergangenheit und der verlorenen Worte

Warum ist die Schrift nur so spät entstanden? Erst vor etwa 5300 Jahren wurde die gesprochene Sprache so langsam für die Ewigkeit in Stein gemeißelt und schließlich auf Papier gebracht. Uns sind so viele kostbare Gedanken verloren gegangen.

Wie viele Meisterwerke bleiben uns für immer verborgen und sind mit ihren Schöpfern in der Vergangenheit versunken? Auf der ganzen Welt und ihrer langen Geschichten liegen so viele ungeschriebene Worte verborgen. Erlebnisse, Phantasien und geniale Ideen. Doch wir werden sie niemals mehr erfahren, müssen uns für immer aus den tiefen Schichten der Erde ihre Zeilen zusammenreimen.
Doch nun haben Worte und die Schrift die Welt erobert. Eine grosse Welle die Erde überschwemmt. Eine Flut an Worten, die wir oft gar nicht brauchen. Die verletzen, gegeneinander aufhetzen, anstatt zu verbinden, aufzuklären oder zu lehren.
Auch Worte können Waffen sein.
Sie können aber auch Werke erschaffen und tief berühren, sie können Briefe schreiben und Taten verzeihen, sie können Lieder komponieren und die Seele heilen.

Was hätten wohl vor Millionen von Jahren unsere haarigen Vorfahren an Gedanken so verraten? Beziehungsprobleme und Erziehungssorgen? Das gab es sicher auch vor Urzeiten schon.


Klimawandel und schlechte Ernten? Auch die Neandertaler verzweifelten sicher wegen langer Dürren schon.
Die Dinosaurier wurden von einem Meteoriten erschlagen und direkt ins Nimmermannsland katapultiert. Den restlichen Artgenossen kam der darauffolgende Klimawandel nicht besonders zugute, und das war es dann gewesen mit dieser abenteuerlichen Spezies, aber sie hätten mit ihren patschigen Pfoten nun wirklich kein Wort auf ein Blatt bekommen.

Nun schaut man heutzutage in die Gesteine hinein, was sie uns für Geschichten erzählen über unsere Welt, denn Zeitzeugen können uns das bedauerlicherweise nicht in hinterlassenen Schriften belegen.
Wie das wohl wäre, ein Buch aus der Steinzeit? "Intellektuelle Zwiegespräche mit Fred Feuerstein." Tiefsinn oder Schwachsinn?

Es bleibt für immer ein Rätsel und verborgen in den tiefen Schichten der Erde, auf denen sie damals ihre Fußabdrücke hinterließen. Uns bleiben nur ihre Reliquien und Töpfe, wenige uralte Werkzeuge, Jahrtausende alte Knochen und wir geben ihnen Namen, denn sie haben uns keine hinterlassen.
Ötzi, die Mumie aus den Ötztaler Alpen. Wie er wohl seinen Namen gefunden hätte vor 5250 Jahren?
Doch was hinterlassen wir der Welt in 1000 Jahren? Milliarden von sinnlosen Wörtern, absurden Bildern und endlosen Daten? Werden wir eines Tages eine Inspiration für unsere Nachfahren sein? Werden sie unsere Gedanken lesen und nostalgisch in unseren Zeiten schwelgen oder werden wir nur das Jahrhundert der Milliarden bedeutungslosen Worte sein?

Werden auch wir nur verlorene Worte hinterlassen, nicht, weil wir keine hatten, sondern weil wir einfach nicht wussten, sie sinnvoll zu gebrauchen? Wird unsere Geschichte in der Bedeutungslosigkeit versinken?
Man kann jedem Wort Tiefe und Sinn verleihen, jedes Werk kann ein Meisterwerk werden, wenn man sich Zeit nimmt für die wichtigen Gedanken und sie erst dann zu Worten formt.
Vielleicht bleiben ja dann in den ganzen unüberschaubaren Datenfluten unserer chaotischen Zeit denkwürdige und geistreiche Worte für die Ewigkeit erhalten.

Mittwoch, 11. Mai 2016

Die Qual der Zahl

Was musste ich da bitte lesen?

Ohne Mathematikverstand ist man kulturbehindert?

Zu dieser Meinung war ein gewisser Bildungsforscher namens Heinz-Elmar Tenorth also gekommen.  
War das überhaupt ein anerkannter Beruf? Bildungsforscher?
Das hörte sich für mich eher so an, als wurde man Bildungsforscher, wenn man so mit der Bildung seine Mühe hatte und teilte dann aus, indem man mit abstrusen Theorien um sich warf und wilde Diagnosen erfand.

Kulturbehindert war ich nun also auch noch. 
Na, gute Nacht.
Ich wollte aber nicht kulturbehindert sein. Nicht auch noch das!
Ich hatte doch schon genügend Baustellen, da brauchte ich nicht auch noch eine Kulturbehinderung.
Was aber sollte ich machen mit dem Mathematikverständnis einer Erbse?
Sollte der fragwürdige Forscher doch Recht haben, war ich verloren.
Ich beschloss, erstmal zu überprüfen, ob ich wirklich keinen Verstand besaß.
Also Mathematikverstand, denn mit ein wenig Verstand rechnete ich noch hoffnungsvoll.

Fing ich doch mit etwas Einfachem an.
Multiplizieren, addieren, konjugieren. Da ging es schon los. Konjugieren konnte ich super, nur gab es das nicht als mathematisches Nebenfach.
Ich beschloss das Level zu steigern und widmete mich der Wurzelrechnung.
Wurzelrechnung?
Die Wurzel aus 100 ist eine Kartoffel?
Was hatte die Wurzel eigentlich in der Mathematik zu tun?
Gar nichts war mein Entschluss, denn Wurzeln gehörten an einen Baum und nicht an eine Zahl.
Das brachte mich in meiner eigenen Forschung bereits einen bedeutenden Schritt weiter, denn mir kam langsam der Verdacht, den ich schon immer hegte:

Mathematik ist Betrug!

Glasklar, denn sonst hätte ich es nämlich schon längst kapiert.
Mein erstes und nicht zu widerlegendes Hauptargument gegen die These des Kulturverständnisses.
Ich brauchte aber noch mehr, denn schließlich wollte ich ja in der Fachwelt nach Abschluss meines Experiments auch ernst genommen werden.
Ich stieß auf die Primzahlen und die abenteuerliche Behauptung, dass angeblich alles auf ihnen basiere.
Alles?
Also eine Zahl, die nur durch 1 und sich selbst teilbar ist, verändert die Welt?
Das musste ich überprüfen und zu meiner Verwunderung fand ich heraus, dass es stimmte.
Wir zahlen nicht etwa mit unserer Kreditkarte, wir zahlen mit Primzahlen.

Prima.  Bargeldlos zahlen mit Primzahlen.

Und auch sonst steckten sie überall ihre Nase rein auf dieser Welt. Ohne sie ging nichts.
Ich sollte wohl doch eher bei «Malen nach Zahlen» bleiben, um mir doch wenigstens noch einen Funken mathematisches Verständnis vorgaukeln zu können.

Ich stieß auf so alle möglichen haarsträubenden, mathematischen Formeln, Gleichungen, Hypothesen und dann auch auf die Riemannsche Vermutung.
Vermutung hörte sich schon mal gut an. Dem konnte ich ja dann ganz offiziell noch widersprechen.
Sie besagt, dass alle nichttrivialen Nullstellen in der Riemannschen Zetafunktion den Realteil ½ haben und diese wiederum zentral sind im Zusammenhang zwischen der Lage ihrer komplexen Nullstellen und der Lage der Primzahlen.
Alles klar?!
Also wer nach den ersten drei Wörtern abgeschaltet hat muss nicht verzagen, ich wollte mich nur auch mal an die grosse Mathematik wagen.
Es hörte sich aber irgendwie bedeutsam an und zählte, man höre und staune, zu den Millenium-Problemen.
Ich dachte bis anhin, das wären Kriege, Hungersnot und die Klimaerwärmung, aber es waren anscheinend irgendwelche nichttrivialen Nullstellen.
Schön und gut.
Hoffen wir auf eine baldige Lösung des Konflikts, denn dann kann man mit prima Zahlen die Probleme der Welt besser ertragen. 

Oder wie geht diese Rechnung auf?

So quälte ich mich durch weitere Formeln und gab der Mathematik eine Chance, räumte ihr sogar eine Daseinsberechtigung ein, doch bei der höheren Mathematik war dann Schluss.
Da sah es doch nun langsam gespenstisch aus. Wer hatte dich das ausgedacht?
Ich hatte keine Wahl. Das würde mich noch in den Wahnsinn treiben.
Je öfter ich die Seiten voller Zahlen auch las, desto mehr verrannte ich mich in diesem rätselhaften Labyrinth.
Ich glaubte gerade noch an das, was ich musste.
5x3+100 in meiner bunten Spardose reichten jetzt endlich für die neue Hose.

Die Qual der Zahl?
Das war einmal.
War Mathematik vielleicht nur eine Illusion?
Ich erklärte sie nun offiziell zur Religion und hatte nach ein paar mathematischen Studien meinen inneren Frieden wiedergefunden.