Mittwoch, 11. Mai 2016

Die Qual der Zahl

Was musste ich da bitte lesen?

Ohne Mathematikverstand ist man kulturbehindert?

Zu dieser Meinung war ein gewisser Bildungsforscher namens Heinz-Elmar Tenorth also gekommen.  
War das überhaupt ein anerkannter Beruf? Bildungsforscher?
Das hörte sich für mich eher so an, als wurde man Bildungsforscher, wenn man so mit der Bildung seine Mühe hatte und teilte dann aus, indem man mit abstrusen Theorien um sich warf und wilde Diagnosen erfand.

Kulturbehindert war ich nun also auch noch. 
Na, gute Nacht.
Ich wollte aber nicht kulturbehindert sein. Nicht auch noch das!
Ich hatte doch schon genügend Baustellen, da brauchte ich nicht auch noch eine Kulturbehinderung.
Was aber sollte ich machen mit dem Mathematikverständnis einer Erbse?
Sollte der fragwürdige Forscher doch Recht haben, war ich verloren.
Ich beschloss, erstmal zu überprüfen, ob ich wirklich keinen Verstand besaß.
Also Mathematikverstand, denn mit ein wenig Verstand rechnete ich noch hoffnungsvoll.

Fing ich doch mit etwas Einfachem an.
Multiplizieren, addieren, konjugieren. Da ging es schon los. Konjugieren konnte ich super, nur gab es das nicht als mathematisches Nebenfach.
Ich beschloss das Level zu steigern und widmete mich der Wurzelrechnung.
Wurzelrechnung?
Die Wurzel aus 100 ist eine Kartoffel?
Was hatte die Wurzel eigentlich in der Mathematik zu tun?
Gar nichts war mein Entschluss, denn Wurzeln gehörten an einen Baum und nicht an eine Zahl.
Das brachte mich in meiner eigenen Forschung bereits einen bedeutenden Schritt weiter, denn mir kam langsam der Verdacht, den ich schon immer hegte:

Mathematik ist Betrug!

Glasklar, denn sonst hätte ich es nämlich schon längst kapiert.
Mein erstes und nicht zu widerlegendes Hauptargument gegen die These des Kulturverständnisses.
Ich brauchte aber noch mehr, denn schließlich wollte ich ja in der Fachwelt nach Abschluss meines Experiments auch ernst genommen werden.
Ich stieß auf die Primzahlen und die abenteuerliche Behauptung, dass angeblich alles auf ihnen basiere.
Alles?
Also eine Zahl, die nur durch 1 und sich selbst teilbar ist, verändert die Welt?
Das musste ich überprüfen und zu meiner Verwunderung fand ich heraus, dass es stimmte.
Wir zahlen nicht etwa mit unserer Kreditkarte, wir zahlen mit Primzahlen.

Prima.  Bargeldlos zahlen mit Primzahlen.

Und auch sonst steckten sie überall ihre Nase rein auf dieser Welt. Ohne sie ging nichts.
Ich sollte wohl doch eher bei «Malen nach Zahlen» bleiben, um mir doch wenigstens noch einen Funken mathematisches Verständnis vorgaukeln zu können.

Ich stieß auf so alle möglichen haarsträubenden, mathematischen Formeln, Gleichungen, Hypothesen und dann auch auf die Riemannsche Vermutung.
Vermutung hörte sich schon mal gut an. Dem konnte ich ja dann ganz offiziell noch widersprechen.
Sie besagt, dass alle nichttrivialen Nullstellen in der Riemannschen Zetafunktion den Realteil ½ haben und diese wiederum zentral sind im Zusammenhang zwischen der Lage ihrer komplexen Nullstellen und der Lage der Primzahlen.
Alles klar?!
Also wer nach den ersten drei Wörtern abgeschaltet hat muss nicht verzagen, ich wollte mich nur auch mal an die grosse Mathematik wagen.
Es hörte sich aber irgendwie bedeutsam an und zählte, man höre und staune, zu den Millenium-Problemen.
Ich dachte bis anhin, das wären Kriege, Hungersnot und die Klimaerwärmung, aber es waren anscheinend irgendwelche nichttrivialen Nullstellen.
Schön und gut.
Hoffen wir auf eine baldige Lösung des Konflikts, denn dann kann man mit prima Zahlen die Probleme der Welt besser ertragen. 

Oder wie geht diese Rechnung auf?

So quälte ich mich durch weitere Formeln und gab der Mathematik eine Chance, räumte ihr sogar eine Daseinsberechtigung ein, doch bei der höheren Mathematik war dann Schluss.
Da sah es doch nun langsam gespenstisch aus. Wer hatte dich das ausgedacht?
Ich hatte keine Wahl. Das würde mich noch in den Wahnsinn treiben.
Je öfter ich die Seiten voller Zahlen auch las, desto mehr verrannte ich mich in diesem rätselhaften Labyrinth.
Ich glaubte gerade noch an das, was ich musste.
5x3+100 in meiner bunten Spardose reichten jetzt endlich für die neue Hose.

Die Qual der Zahl?
Das war einmal.
War Mathematik vielleicht nur eine Illusion?
Ich erklärte sie nun offiziell zur Religion und hatte nach ein paar mathematischen Studien meinen inneren Frieden wiedergefunden.                                  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen