Dienstag, 22. März 2016

Leblose Kinderaugen in einer grausam schönen Welt.

Kinderaugen, die nicht mehr lachen, die ins Leere starren und so freudlos und traurig sind, dass ich nur erahnen kann, in welche dunkle Hölle sie da starren.

Eine Kriegswaise.

Einer von Hunderten, Tausenden, Millionen. Je nachdem, wie schön man sich diese Welt nun reden möchte.
Ich schaue in seine Augen und betrachte dann den blauen Globus.
Ein nicht abreißendes Band des Leids umklammert unseren Planeten und ich bin auf der Suche.
Auf welcher Suche?
Der Suche nach Antworten, die es nicht gibt. Ich stelle Fragen in den leeren Raum.

Sinnsuche in der Sinnlosigkeit.

Leid wird verbreitet auf Fundamenten, die für den Frieden geschaffen waren.
Der Glaube kann Berge versetzen, aber er kann auch tödlich sein.

Viele verdrängen das Schicksal der Welt, verschließen die Augen vor dem Schicksal des Einzelnen. Soll ich es Ihnen verübeln?
Ja, ich tue es, denn diese leblosen Kinderaugen haben keine Wahl.
Was kann man einem Kind noch rauben, dass nichts mehr hat auf dieser Welt?
Seine Kindheit.

Das ist das Schicksal Tausender Kriegswaisen auf dieser Welt. Es sind Zahlen und Geschichten ohne Gesichter. Das Schicksal dieses kleinen Jungen, der nichts als den Krieg gesehen hat, seitdem er auf dieser Welt ist, spiegelt in seinen Augen das Schicksal Millionen Namenloser wider.
Seine Geschichte erzählt er als wäre es nicht die eigene.
Die Stimme leblos und monoton und doch erzählt er von einem Grauen, dass es einem das Herz zerreißt.

Hat sein Mund wohl jemals gelacht?

Seine Familie getötet vor wie langer Zeit. Er war wohl noch klein.
Ist er jetzt groß?
An die Gesichter kann er sich nicht mehr erinnern, sagt er tonlos und dann wieder dieser leere Blick.
Aber wo soll er auch hinschauen, wenn ein Kampf, der nicht der seine ist, ihm seine Familie, seine Kindheit und seine Erinnerungen geraubt haben.
Seine Kindheit kann ihm keiner zurückgeben, die Erinnerungen an die Gesichter, die Gerüche und die Umarmungen seiner Eltern auch nicht.
Für immer verloren in einer Welt, in der die eine Hälfte mit Hoffnungslosigkeit und einem Leben ohne Perspektiven kämpft und die andere Hälfte in endlosen Fotos und materiellem Überfluss versinkt.

Ein Junge jedoch, der hat kein einziges Foto von seiner toten Familie.

Bei dieser Paradoxie kann ich meine Sinnsuche eigentlich gleich hier und jetzt beenden.
Sinnsuche in der Sinnlosigkeit. Zeitverschwendung auf höchstem Niveau?
Was sitze ich noch hier und philosophiere, während die anderen Taten folgen lassen und produktiv ihrer Sinnlosigkeit Sinn verleihen?
Sie lassen ihre Waffen sprechen und die Welt schaut hilflos zu.

Dieser Junge mit den leeren Augen ist womöglich die nächste Generation von Gotteskriegern. Ein Kämpfer im Körper eines Kindes.
„Tod den Amerikanern!“, brüllt er mit einem Dutzend anderer Kinder, die keine mehr sind und ich verstehe sie. Nicht ihre Todesdrohungen, aber ihren Wunsch nach Geborgenheit und Zielen.
Und was sonst bietet sich ihnen für Perspektiven?
Soll man ihnen einen Mangel an Selbstreflexion vorwerfen?
Es gibt sicher einige aufgeheizte Gemüter, denen auch das noch in den Sinn käme.
Doch der Hass ist ihr einziges Erbe, die Taliban und der IS ihre einzige Familie.
Eine andere Welt hat diese Augen nie gesehen, eine andere Liebe als die des Hasses hat ihr Herz nie erlebt.

Hoch entwickelt ist unsere Welt und doch schaut man auf endlose Trümmerberge, die doch nicht von derselben Spezies hinterlassen wurden können, die uns so weit gebracht hat.
Oder etwa doch?

Ich bin ratlos bei diesem Gedanken, denn den Stempel Mensch, den gibt es noch nicht in unseren Pässen.
Auf diese Welt darf jeder ungefragt, ob er nun will oder auch nicht. Wird man nun nicht gerade mit einem Rüssel geboren, dann bekommt ein jeder seinen Pass.
Doch ich, ich frage mich nun schon, was es mit den Menschen auf sich hat, die immun sind gegen alle Gefühle und von Verbrechen gegen die Menschlichkeit leben.

Haben wir wirklich die gleichen Gene?

Ich muss es bezweifeln, auch ohne wissenschaftliche Grundlage, denn nur dann kann ich noch an das Gute im Menschen glauben.
Nur so kann ich mir dann auch die Frage beantworten, warum sich Kriege schlichtweg meinem Verständnis entziehen, die Machtlosigkeit des Pazifismus ertragen und ein Mensch sein unter Menschen fernab aller Zweifel.
So kann ich die politischen Debattierklubs, die endlosen Verhandlungen über Grenzen, Abschnitte, Gesetze für und gegen die Menschen ertragen.
Ich versuche zu verstehen, aber am Ende sehe ich doch immer wieder nur das Gesicht des kleinen Jungen.
Ein Kind, das als Symbol für alle anderen Opfer sinnloser Grausamkeit für mich steht.

Die Forschung forscht an Superwaffen, Mikrochips und an der Marserkundung.
Was nützt es unserer Welt? Die Waffen kommen wieder in die falschen Hände, sofern es überhaupt die Richtigen gibt und was der Erde im Moment die Marserkundung nutzen soll, das lege ich auf meinen offenen Fragenhaufen.
Die Menschen hätten dann natürlich den nächsten Planeten, den sie in Schutt und Asche legen können.
Oder müssen wir uns langsam nach neuen Optionen umschauen, denn unserem blauen Wunder ist nicht mehr zu helfen? Uns eine Arche Noah bauen und auf den Roten Planeten umsiedeln? Schade wäre es, denn abgesehen von allen Religionsverwirrten, die den Koran so missverstanden haben, wäre es hier doch so wunderschön.

Vielleicht könnte man sich ja zur Abwechslung mal an die Erfindung eines Pazifistenchips machen, den man den ganzen fundamentalistischen Anhängern unbekannter Spezies einsetzt, damit die Flüchtlinge und Kriegswaisen endlich ihren Frieden finden und sich anstatt mit Hungersnot, Todesangst und Schmerz endlich einmal für einen kleinen Augenblick der Schönheit dieser Welt hingeben könnten.
An einer Blume riechen, die ihre leeren Augen für einen Moment zum Strahlen bringt.
Einen bunten Ball durch die Luft wirbeln und die Sorgen, die wir nicht erahnen können, für einen Moment vergessen könnten, denn sie können Kind sein und in dem einen Augenblick leben ohne Angst vor Waffen und einem Marsch ins Nirgendwo.

Doch bei der großen Anzahl von Religionsverwirrten wären das natürlich immense Kosten und das Geschäft mit dem Krieg rentiert sich natürlich auch für so unendlich viele Menschen.
Leider sind es oft nicht nur die Blumen, die das Herz zum Strahlen bringen.
Das Geld, das liebe Geld.

Nur eines darf man nicht vergessen:

Kinder sind die Köpfe unserer Zukunft und die Waffen werden niemals schweigen, solange diese Kinderaugen leidvoll durch die Generationen weiter getragen werden.
Nur wenn man ihren Augen andere Bilder zeigt und eine neue Perspektive gibt, ohne Krieg und Waffen, aber mit einem Grund zum Lachen, wie eines jedes Kind auf dieser Welt das Recht hat, dann können sie zu Menschen werden, mit einem guten Herzen.

Frei von Hass.

Nur dann hat dieser endlose Krieg vielleicht jemals ein Ende.

Mittwoch, 16. März 2016

Mission erfüllt. Meine unkonventionelle Therapiestunde mit Alf

Alf war zurück. Der kleine, behaarte, Katzen fressende Held meiner Kindheit, den es von Melmac mit einer Bruchlandung auf die Erde verschlagen hatte und der nun im falschen Universum festsaß.

Wie gut konnte ich seine Verwirrung verstehen und seine Flucht in Selbstzerstreuung. Auch wenn es sich bei ihm vor allem auf das Jagen unschuldiger Hauskatzen beschränkte, und seine menschlichen Gastgeber 24 Stunden am Tag auf die Palme zu bringen.
Auch ich saß wieder einmal mit einem merkwürdigen Auftrag in einem sonderbaren Universum fest. Dem Reha-Universum.

Eine verwirrende Parallelwelt, die neben der realen, bereits konfusen Welt existierte und in der ich dann und wann wieder landete. Allerdings nicht mit meinem Raumschiff, denn so viel Bodenhaftung besaß ich bei aller Fantasie dann doch noch.
Ich bekam mal wieder einen Auftrag. Die Therapeuten hielten ihre Schäfchen gerne beschäftigt, damit sie am Ende der Welt im alpenländlichen Nirgendwo auch bloß nicht auf dumme Gedanken kamen. Das WC mit Teebeutel verstopfen vielleicht? Die Optionen waren von diesem Stützpunkt aus grenzenlos.
Dieses Mal sollte ich mir Methoden zur Schmerzablenkung suchen. Der Auftrag erschien mir von Anfang an fragwürdig, denn während ich in vorbildlicher Erfüllung meines Auftrages krampfhaft versuchte, mich genau von diesen abzulenken, bekam ich mächtige Kopfschmerzen.
Da kam es mir doch gerade gelegen, hatte ich Alf kürzlich wieder entdeckt.
Keine Bange, er war nun nicht tatsächlich durch meine Türe spaziert und hatte mich mit einem flauschigen "High five" begrüsst. Meine Phantasie ging öfter mit mir durch, meine Medikamente waren ein bunter Mix mit allerlei lustigen Wechselwirkungen, aber ich begegnete ihm, um an dieser Stelle gleich Entwarnung zu geben, nur im Fernsehen wieder.

Nichtsdestotrotz wurde in dieser Einöde meine Phantasie wieder lebendig.

Ich sah mich am nächsten Tage schon wieder allzu bildlich mit der Schmerzgruppe im Garten sitzen. Nicht nur, dass ich eine ausgeprägte Gruppen- und Stuhlkreis-Allergie hatte, auch bei der Vorstellung der üblichen Antworten schlief mir bereits das Gesicht ein. Je näher der Stuhlkreis zu mir rücken würde, desto mehr würde das Adrenalin seine Wirkung zeigen. Schweißausbrüche, Tachykardie, aufsteigende Panikattacke.
Was sollte ich wohl diesmal sagen? Welche Antwort kopieren, damit ich schnell aus der Nummer raus war? Basteln, nähen, Blumen pflücken, Grashalme zählen? Das nahm mir ja sowieso keiner ab. So gut kannte man mich schon, auch wenn ich immer in höchstem Masse über das Holzkörbe Flechten schwärmte. Irgendetwas gelang mir dabei eindeutig nicht. Ich war wohl aufgeflogen.
Vielleicht die Wahrheit sagen?

Dass ich über einem Masterplan tüftelte, wie es der arme Alf mit seinem kaputten Raumschiff wieder zurück nach Melmac schaffen konnte und ich mir zur Inspirationsförderung überlegte, eine naturgetreue Pappfigur aus dem Internet zu bestellen?

An der Geschichte würde definitiv keiner zweifeln, aber ich wollte meine Tarnung aufrecht erhalten.
Wo sollte ich also beginnen? Die NASA anrufen? Area 51 besuchen? Einen Weltraum-Ingenieur zur Reparatur des defekten Raumschiffes zur Rate ziehen? Die Mission schien nicht einfach, aber auch nicht ausweglos.

Während ich also über Google und Co. saß und mir statt eines weiteren geflochtenen Holzkorbes einen Schlachtplan zusammenbastelte zur Rückführung meines pelzigen Freundes, dessen Planet zwar noch nicht gefunden, seine Existenz aber auch nicht völlig widerlegbar war bei der Masse an noch unentdeckter Materie im interstellaren Raum, bemerkte ich plötzlich, was sich nun bei meiner motivierten Planung kaum bemerkbar gemacht hatte:
Die Atombombe in meinem Kopf. Alf hatte mich anscheinend sehr erfolgreich davon abgelenkt. So beschloss ich, das Experiment an dieser Stelle aus diversen Gründen abzubrechen, denn ich war
  1. noch nicht so sonderbar, dass ich wirklich die NASA nach Rat auf der Suche nach Melmac angerufen hätte
  2. Die Pappfigur von Alf neben meinem Bett doch nur wieder unnötige Fragen aufwerfen würde, die eventuell in einem weiteren Stuhlkreis thematisiert werden würden und wenn es ganz schlimm kam, zusätzlich noch in einer extra aus diesem Grunde einberufenen, psychotherapeutischen Einzeltherapie.
  3. Ich bei diesem geglückten Experiment an Selbstunterhaltung immer noch nicht wusste, welche Geschichte ich morgen im Stuhlkreis nun wieder auftischen sollte, damit keiner merkte, dass auch ich irgendwie von einem anderen Stern kam und mir schleunigst etwas einfallen musste.

Samstag, 5. März 2016

Das Glück ist ein untreuer Gefährte. So ist es auch das Unglück. Zu unserem Glück.

Das Glück ist ein untreuer Gefährte. Das Unglück ist es aber auch. Im besten Fall kann man sich auf beides nicht verlassen und ist dann halbwegs gut bedient im Leben.

Von wem braucht der Mensch denn wohl mehr Treue?

"Vom Glück, vom Glück", schreit sicher zugleich die große Masse und malt sich im Rausche der Fantasie beflügelt von der Leichtigkeit des potentiell nahenden Glückes die schönsten Dinge aus, die ihr tristes Leben, welches dahinplätschert wie ein seichter Bach, in einen tosenden Fluss voller Endorphin und Adrenalin verwandeln soll, gespeist von Gold und Geld und Diamanten.

Doch auch ein Surfer muss irgendwann einmal von seiner Welle springen und auf die nächste warten. So ist der Mensch also weder mit dem einen noch mit dem anderen jemals ganz zufrieden und braucht das Elend, um das Glück zu schätzen, und so leben wir im Paradoxen und stellen uns stets so allerlei unausgesprochene Fragen, auf die wir keine Antworten finden.

Zum Beispiel: Warum kann die Sonne nicht jeden Tag für mich scheinen?
Oder: Warum machen wir uns das Leben auch noch gegenseitig so schwer?
Und: Wären die Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren nicht ausgestorben, wären sie dann heute unsere Haustiere?

Ein paar schlaue Früchtchen nutzen sogleich die Sinn- und Lebenskrisen-Gesellschaft, eröffnen einen Esoterik-Kanal und verschaffen Abhilfe für die Disharmonie im Universum.  Andere finden Halt in dieser oder jener Religion mit der Überzeugung auf das Ernten anderer Früchte, leider jedoch erst im Jenseits.

Die anderen sind einfach schon tiefenentspannt geboren. War es die Wassergeburt oder Beethovens Fünfte jeden Abend?

Vielleicht aber auch das liebe Schicksal, über das die Hobby-Philosophen lang und breit und gerne, ohne Aussicht auf ein baldiges Ende bei ihrem Gläschen Rotwein seit Jahrhunderten diskutieren.
Man weiß es nicht.

Auf der Suche nach dem Glück braucht man Mut zum Unglück.
Das stand tatsächlich nicht in meinem Glückskeks vom Chinesen. Auf diese Weisheit bin ich nach monatelanger Isolation im Spital dank südostasiatischer Bakterien ganz von alleine gekommen.  Ich musste mir auch nicht für 5 Euro die Minute die Karten legen lassen am Telefon dafür. Ganz einfach nur auf die 4 weißen Wände von meinem Spitalbett aus starren, die mich umgaben in dem unerschütterlichen Bewusstsein, dass es immer noch schlimmer werden konnte, aber auch besser und um die nächste Ecke vielleicht doch ein Eimer Sorglosigkeit auf mich wartete.
Aber egal was auch passiert, darf man nur nie die treuesten Gefährten auf seinem Wege verlieren: Den Humor und sich selber.
Erst wenn das passiert, hat man wirklich verloren.