Dienstag, 22. September 2015

Von Aladin und der Wunderlampe

Was würde ich wohl machen, wenn eines Morgens Aladin mit seiner Wunderlampe, schwebend auf seinem fliegenden Teppich, auf mein Erwachen warten würde?

Einen Wunsch, würde er sagen, den hätte ich frei, und tausend Gedanken, die würden mich plagen. "Oje, lieber Aladin, das ist jetzt aber schwierig. Der Mensch, der ist von Natur aus ja ziemlich gierig."

Statt nur des eines Wunsches will ich gleich Tausende haben, aber Aladin auf seinem fliegenden Teppich kennt die Menschen nur zu gut und möchte nun von mir wissen: "Was ist dein allergrößter Wunsch auf dieser Welt? Einen Wunsch, den hast du und nun überlege gut. Schaue in dein Herz und dann frage dich: Was tut dir wirklich, wirklich gut."

"Hm, lieber Aladin, vielleicht für alle Ewigkeit leben?"

Um Himmels Willen, nein danke. Den Wunsch, den ziehe ich doch lieber schnell zurück. Das wäre mir nun wirklich viel zu anstrengend für die nächsten hunderttausend Jahre, und ich schaue darum nochmals nachdenklich auf die goldig leuchtende Wunderlampe.

"1 Milliarde Euro vielleicht?" Ein paar Probleme, die wäre ich sicher los. Jedoch, die meisten wären noch da, da hilft mir leider auch kein Geld der Welt.

Was habe ich da nur für absurde Ideen? Was brauche ich wirklich zum glücklich sein? Ganz einfach ist eigentlich die Antwort doch. Was wäre eure Antwort wohl?

Nur einen Tag will ich schmerzfrei sein, das wäre mein allergrößter Wunsch. Ohne Tabletten und ohne Spritzen, ohne Angst und ohne Spital. Alles machen nach Lust und Laune, aus tiefstem Herzen und ohne Schmerzen. Einfach gesund sein, nur für einen Tag.

Kein Geld der Welt könnte mir dieses Geschenk kaufen.

Was würde ich machen an diesem einen Tage?

Ich würde nicht ruhen, das wäre mal sicher. Ich würde tanzen, springen und lachen. Ganz unbeschwert, als wäre nie etwas passiert. Ich würde keine Pläne schmieden, ich würde sie machen. Alle sofort und alle auf einmal.

Nur ein Problem, das hätte ich vielleicht. Warum hat ein Tag nur 24 Stunden? Wer hat das Konzept denn eigentlich erfunden?

Jetzt dreht die Erde sich aber nun mal, wie sie sich dreht, und so will ich die schmerzfreien 24 Stunden nutzen und meine ganze, blühende Phantasie einsetzen. Jede Minute, die will ich füllen und mit Spaß und Freude nach dem Leben streben.

Tango in Argentinien, Cocktails auf Kuba, Gorillas streicheln im fernen Togo und danach vielleicht flirten mit Bradley Cooper. Aber Aladin wird mir seinen fliegenden Teppich sicher nicht für eine kurze Weltreise leihen und so lasse ich die Phantasien lieber sein.

Also raus aus dem Bett, wo fange ich nur an? Vielleicht mit einem Purzelbaum. Ist es wirklich Realität oder war das alles nur ein Traum?

Die Freunde zusammentrommeln für ein großes Fest, denn heute Abend geht es mal nicht ins Spital. Heute Abend wird gelacht, getanzt und gefeiert. Heute Nacht wird durchgemacht!
Heute brauche ich keine Ruhe. Alles, was ich brauche sind schöne, neue, hohe Schuhe, denn an diesem Tage kann ich auch die wieder tragen. Heute wird mein Gleichgewichtssinn nicht versagen.
Mein Kopf ist gesund, wer hätte das gedacht. Also auf in die Stadt, ins Menschengewühl stürzen.
Heute sehe ich auch wieder alles und jeden. Wie groß ist die Welt plötzlich wieder geworden? Die wunderschönen Schuhe sind dann schnell gefunden, denn dafür brauche ich heute nicht kräftezehrende Stunden.

Mit tanzenden Schritten und vollen Tüten geht es dann so langsam der Feier entgegen. Einen Prosecco auf meinen Erfolg, den gönne ich mir in der wunderschönen Sommersonne eben noch. Wie lange ist es her, ich weiß es nicht mehr.

Die Menschen rempeln, die Autos hupen, doch ich gehe weiter, entspannt und munter, sehe einen Spielplatz und gehe die Sommerwiese hinunter. Mache halt und setze mich auf eine Schaukel, werde zum Kind und sause im Wind. Den Himmel gesehen auf dem Weg nach oben. Mit fliegenden Haaren im Sand gelandet und als glücklicher Mensch im Paradies gestrandet. Muss dann aber weiter, denn bald geht es los.

Die Welt dreht ihre Runde, Stunde um Stunde und ich will sie füllen, jede einzelne Sekunde.
Schon kommen die Freunde, alles ist fertig. Die Sonne, sie scheint, sie lacht uns zu. Meine Vorfreude ist grenzenlos, die Stimmung famos. Der Schmerz ist vergessen, die Krankheit auch. Man kann sie nun nicht mehr in meinen Augen lesen. Als wäre sie niemals ein Teil von mir gewesen.

Nur pure Freude strahlt heute darin.

Schon längst vergessen ist das Gefühl der Schmerzen. Leicht wie eine Feder schwebe ich im Hier und Jetzt. Alles was ich möchte, ist in diesem Moment zu verweilen.
Er würde alle meine Ängste vertreiben. Ich werde ihn für schlechte Zeiten in eine kleine Schachtel stecken. Dort wird er für immer und ewig bleiben.

Nur einen Schmerz, den habe ich, längst vergessen, dass es ihn gab: die armen Füße, die in den schönen Schuhen stecken.
Das Leid, das nehme ich heute gern in Kauf, denn heute Abend bin ich wieder ein normales Mädchen, in einem Städtchen, auf einer Terrasse, mit einem Prosecco in der Hand. Ich lache mit Freunden und mache Quatsch. Ich rede über Probleme aus einem anderen Leben. Vielleicht sind es gar keine, vielleicht aber doch. Ich weiß es nicht mehr, habe es längst vergessen. Witzige Geschichten, die kann ich erzählen, nur über die Zukunft, über die kann ich nicht reden. Über die Pläne der anderen, da höre ich gespannt zu.

Was wäre ich wohl, hätte ich den Schmerz nicht mehr? Aber daran will ich heute nicht denken, denn mir bleiben noch ein paar Stunden. Für andere vielleicht eine Kleinigkeit, für mich jedoch eine gefühlte Ewigkeit.
Ich will es wieder lernen, das verdammte Leben, habe es längst vergessen und nun steht es vor mir. Das und die Freunde und mein altes Ich. Ich habe das alles so sehr vermisst.
Mein Kopf ist heut frei, mein Herz, das lacht, es wird noch bis zum bitteren Ende weiter gemacht.
Ich danke der Lampe und nutze diese Nacht. Noch bleibt mir Zeit zum unbeschwerten Lachen. Ohne Medikamente und aller Krankheiten.

Davon kann ich lernen und werde versuchen, mit dieser Erfahrung das wunderbare Leben trotz allem ein Stückchen wieder neu zu erlernen.

Mittwoch, 9. September 2015

Was wäre, wenn...

Was wäre, wenn ich in einem der schönsten Länder der Welt geboren wäre? Mit Affen und Giraffen, mit Elefanten, die fröhlich vor meiner Türe trampeln. Zur Uni gegangen mit vielen Visionen. Aufgewachsen mit der Sonne im Herzen. Jeden Tag von Neuem zeigte sie ihre goldenen Strahlen und wärmte mir das lachende, staubige Gesicht. Aufgewachsen in einer großen, fröhlichen Familie. Wo ich trotz materieller Armut, inmitten dieses Naturparadieses, wo mich die buntesten Vögel weckten, doch immer noch ein Lächeln fand.

Doch plötzlich dachten sich ein paar Idioten, dass eine kleine Grenze oder eine Religion es wert sei, all dies zu zerstören. Und da steht diese kleine Familie nur als Beispiel für Millionen Opfer auf dieser Welt.

Was wäre, wenn ich aufgewachsen wäre in dem Lande, der Geburtsstätte unserer Zivilisation. Wo unsere Vorfahren einst sesshaft wurden, vor 11 000 Jahren. Wo der Mensch vom Jäger und Sammler sich einst niederließ zum ersten Mal in seiner Hunderttausende jahrelangen Geschichte und begann Kulturen zu schaffen. Das Zentrum unserer Zivilisation. Wo heute nur noch Schutt und Asche liegt.

Man mag es kaum glauben, wo unsere Wurzeln liegen. Ja, dort in Syrien. Das damalige Mesopotamien. Traurige Ironie?

Was wäre, wenn ich das sei und alles verloren hätte? Meine Bildung, meine Freunde, meine Familie, mein Land?

Was wäre, wenn ich ein sorgloses Kind gewesen wäre? Glücklich mit einem Ball in der Hand? Stundenlang vergnügt beschäftigt, doch nun schaut die ganze Welt auf meinen toten Körper.

Am Strand. Kein Ball mehr in der kleinen Hand.

Was wäre, hätte ich ein schönes, großes Haus gehabt, mit einer kleinen Arztpraxis gleich nebenan? Nun aber sitze ich in Budapest und warte auf den Zug ins Ungewisse. Ins Nirgendwo, am Straßenrand.

Ich bin kein Individuum mehr. Ein Mensch, der bin ich vielleicht noch, der es gerade so geschafft hat. Schlafen jedoch kann ich nicht mehr, auf dem kalten, harten Boden. Zu viele Bilder in meinem Kopf, und es sind keine lachenden Gesichter.

Was wäre, wenn man die geschichtlichen und politischen und alle anderen so unverständlichen Verpflichtungen mal aus dieser ganzen Debatte nehmen würde? Was wäre, wenn man handeln würde?

Nun zerstören diese Fanatiker Leben, Kultur, tausende Jahre alte Denkmäler, Familien, Kinderseelen, mal wieder ein ganzes Land und die Welt schaut zu.

Was wäre wohl, wenn ich ein Politiker wäre? Damit hat es nun aber nicht geklappt, es reicht nur für die Zuschauertribüne. Und so frage ich erschüttert bei jedem neuen, traurigen Bericht in den leeren Raum: "Was ist los auf dieser Welt?"

Der IS gewinnt jetzt den Kampf, denn anstatt zu handeln, hat sich ein internationaler Debattierklub entwickelt. Sie breiten ihr Territorium aus, bekommen mehr und mehr Waffen, Geld und Land in die Hand, terrorisieren, morden und wir sind beschäftigt mit dem nicht endenden Flüchtlingsstrom. Lassen sie weitermachen mit ihrer kriegerischen Tyrannei.

Wovor hat die politische Machtelite Angst? Gibt es dort zu wenig Erdöl für die USA zu holen? Was ist mit Europa los? Ich verstehe die Welt nicht mehr.

Wenn das internationale Militär vereint den IS in Syrien überrollen würde, hätten wir das Problem nicht gelöst und die Menschen ihr Land, ihre Kultur und ihre Wurzeln zurück? Das Problem des Flüchtlingsstroms, der Ertrinkenden, der sinkenden Boote, der Verteilungsquoten wäre an ihrer Ursache gepackt und das Land von diesen selbsternannten Gotteskriegern erlöst?

Ein zerstörtes Land, ein traumatisiertes Volk, das hat der IS bereits erreicht, aber befreien, das liegt doch noch in unserer Hand. Ohne zu viel Optimismus für die Zukunft zu schreiben, denn dafür braucht es noch viel mehr von unserer Seite, wie die Geschichte gezeigt hat. Aber ohne Anfang kein Ende.

Vielleicht unterschätze ich aber auch wirklich diese Fundamentalisten und ihr selbsternanntes Kalifat, und sie sind tatsächlich mächtiger als eine US-Armee und die europäischen Mächte zusammen, wenn sie sich denn zusammen tun würden, um diesem ganzen Elend ein Ende zu bereiten.

Was wäre, wenn…

Aus der Geschichte lernen? Gerne! Aber die Geschichte scheint doch immer irgendwo anders Gegenwart zu sein.