Donnerstag, 23. Februar 2017

Das Genie, der Wahnsinn und die Schreibblockade

Das Schreiben ist so eine Sache.

Mal fällt es mir ganz leicht aus dem Gelenk, den Stift in der Hand zu schwenken und die Worte sprießen nur so auf das Papier.

Auf das Papier? Ja, denn tatsächlich bin ich noch stets mit meinem kleinen Büchlein, Kugelschreiber und ein paar bunten Markern bewaffnet unterwegs, falls mir dann die Erleuchtung kommen sollte und schreibe dann Seite um Seite bunte, kitschige Bücher voll.

Das Dr. Simmel-Notfall-Kit.

Gut, ich will hier nicht lügen. Es ist dann auch mal mehr und mal weniger ein eher kryptisches Gekritzel.

Ich übe mich da nicht gerade in Kalligraphie.

Der Laptop ist mir da auf jeden Fall ein Graus. Es scheint mir allzu oft, als sei ich im falschen Jahrhundert gelandet, wenn ich dann fieberhaft und verwirrt versuche, zu formatieren und zu posten oder noch schlimmer: die Dinge auf irgendeiner Seite zu teilen.

Gut gibt es da die Notfallnummern. Meine Kontaktliste im Handy. Jeder weiß Bescheid.

Nur eben ich nicht.

Doch für die ganz großen Probleme hat auch mein Notfall-Kit keine Lösung.
Die Schreibblockade. Die ist das eine.

Man sitzt so da und starrt an die Wand. Man versucht auf Teufel komm raus ganz phantasievoll zu sein, doch die Gedanken fliegen in die gähnende Leere.

Dann gibt es noch das andere Problem.  Wenn man ganz genau weiß, was man sagen möchte, die Gedanken nur so fließen, aber der Mut fehlt, sie in wahren Worten niederzuschreiben.

Wie würden wohl die Menschen urteilen, wenn sie meine Gedanken lesen und mich selber in den Geschichten wiederfinden?

Ich wäre entblößt und meine Fassade enttarnt.

Das ist die Kunst und die Schwierigkeit des Schreibens. Wie kann ich meine eigene Wahrheit hinter den Worten verbergen?

Oder soll ich meine wahren Geschichten gefüllt mit Sarkasmus und Witz und manchmal eben auch mit Trauer und Scham einfach in der Schublade meines Kortex verschwinden lassen?

Die verwirrenden Ansichten über das Leben, die desaströsen Anekdoten und zerstreute Monologe? Kuriose Lebensepisoden und meine spirituellen Novellen?

Die Gedanken, die alle Menschen doch eigentlich beschäftigen und oftmals verbergen in ihrem Herzen oder auch oft unausgesprochen auf ihren Schultern tragen.

Doch ich könnte die Maske auch einfach fallen lassen.

Wahre Worte schreiben, den dicken Vorhang zerreißen, meinen unbekannten Ruf verderben und ganz offiziell zum Spinner werden.

Genie und Wahnsinn liegen nah beieinander?

So liegt es im Auge des Betrachters, wer denn nun dem Wahnsinn verfallen und wer das Genie ist in diesem Spiel des Lebens.

Im Auge des Betrachters liegt die Ansicht über die Welt.

Oje, dem Wahnsinn fühlte ich mich doch manchmal nahe, wenn ich so in meine vollgekritzelten Bücher schaute.

Dem Genie auf jeden Fall schien ich doch irgendwie Lichtjahre entfernt.

Ich musste wirklich mit jemandem reden. Das bedurfte einem kleinen Diskurs.

Ich beschloss mit dem Einhorn und dem rosa Elefanten eine philosophische Runde zu halten und hoffte dort auf Verständnis zu treffen.

Wer sonst, wenn nicht sie sollten meine Sinnesverwirrung verstehen?

Das Einhorn neigte zwar zur Dramatik und es liebte die intellektuelle Polemik, auch wenn sie meist völlig aus dem Kontext gerissen war und der rosa Elefant verfiel recht schnell der Gleichgültigkeit, wenn es sich nicht um sein eigenes Universum drehte, aber es mangelte mir schlichtweg an anderen Optionen.

Also war es beschlossene Sache.

Ich berief eine Notfallkonferenz ein und sogleich stampten beide mit wenig Eile herbei.

"Guten Tag, ihr Beiden, gut seid ihr da. Ich brauche mal wieder euren fabelhaften Rat. Ich schreibe und schreibe, doch lese ich meine Zeilen, so denke ich mir, das sind doch nun wirklich fragwürdige Gedanken.

Sie kann man doch nicht mit der Welt dort draußen teilen. Jedoch auf der anderen Seite gibt es dort draußen die ganzen Despoten und noch Millionen anderer Youtube-Idioten und eine Diskussion über Donald Trump's Geisteszustand möchte ich lieber gar nicht erst starten.

Also was mache ich mir über meine kleinen, universellen, originellen, eigensinnigen, surrealen und vielleicht auch mal unsinnigen, doch zwischendurch auch mal geistreichen und vielleicht sogar inspirativen Gedanken solche Sorgen?"

So beendete ich meine Gedanken ganz außer Atem und war gespannt, was meine Falbelfreunde wohl dazu sagen.

Würden sie spotten? Ich war mir nicht sicher, denn zu groß schien meine Verunsicherung über das Rätsel der Welt und ihrer Bewohner, das ich einfach bis jetzt nicht erfasst hatte.

Ich erhaschte ihre Blicke, doch sie schweiften in die Ferne, waren scheinbar gedankenverloren und schwebten gedanklich in einer anderen Sphäre.

Ich kannte diese Spielchen schon, denn sie liebten die Rolle des Philosophen über die menschlichen Probleme.

Sie schienen ihnen so einfach klar wie auch sonderbar. So ließen sie sich gerne Zeit meine für sie so scheinbar banalen Fragen bis ins Letzte auszukosten.

Die Geduld war mittlerweile auf meiner Seite. Was war schon Zeit, wenn ich sie sowieso nicht fassen konnte und so schaute ich in den blauen Sommerhimmel und zählte die Wolken.

"Gut, gut", begann nach einer endlosen Denkpause endlich das Einhorn.

"Jeder hat doch seine Leichen im Keller und ein jeder weiß das. Wer vor dem Spiegel sitzt solle den ersten Stein werfen."

"Wer im Glashaus sitzt soll nicht mit Steinen werfen", korrigierte ich ihn augenrollend.

Er untermauerte seine persönliche Meinung gerne mit falschen Sprichwörtern, die er mal irgendwo aufgeschnappt hatte, sich aber leider schlecht merken konnte.

Im Einhorn-Universum gab es sowas nicht. Da floss anscheinend nur Milch und Honig und am Ende von Regenbögen wartete ein Sack voller Gold. Verwirrende Sprichwörter und Sarkasmus brauchte es dort anscheinend nicht, geschweige denn Zynismus.

Einhorn musste man sein.

Verständnislos wie immer, wenn ich ihn korrigierte fuhr er fort.

"Was investierst du Zeit und Mühe deine Gedanken zu verstecken und die wahren Worte du verschleiern mit irgendwelchen Phrasen? Das leuchtet mir nun wirklich nicht ein. Kein Wunder sitzt du nächtelang an einem einzigen Text.

Wovor hast du Angst?

Dass man dich nicht mehr mag?

Dass man deine wahre Seele enttarnt?

Dass diese nicht gut genug sei für diese, eure Welt?

Doch ihr Menschen seid doch alle gleich, denn keiner von euch ist doch wirklich normal.

Selber schuld seid ihr, habt ihr euch diese sinnlose Sache namens "Norm" aufgebürdet. Nun habt ihr den Salat und den Stress noch dazu.

Du, Dr. Simmel, bist verwirrend und desaströs.

Manchmal geistreich und manchmal sonderbar, dann wieder inspirierend, aber auch desaströs, irritierend und zerstreut.

Unterhaltsam und philosophisch, aber zeitweise katastrophisch und dann wieder wissenschaftlich und lehrreich und unterhaltsam und komisch.

Politisch demokratisch und völlig idealistisch, aber träumst nachts trotzdem von einer Krone in deinem eigenen, kleinen, schillernden Königreich.

Bist überzeugt pazifistisch und an den Füssen kitzelig.

Was soll man noch sagen, es gibt viele Fragen.

Nichts macht Sinn, im Herzen bleibst du immer ein Kind und das ist auch gut so, habe den Mut dazu."

Mit diesen Worten verschwanden beide. Der rosa Elefant hatte heute nicht viel zu sagen. Er hatte wohl mal wieder einen seiner depressiven Tage. Diese Welt war nicht sein. Er sehnte sich zurück nach kunterbuntem Sonnenschein und einer lilafarbenen Elefantendame namens Lala. Für heute war ihm vergeben.

Ich blieb zurück mit diesen wahren Worten.

Bedeutete das nun ich war auf dem falschen Planeten und musste warten bis mir ein Einhorn wuchs oder ein Wurmloch mich auf süßen Wellen zu den Honigfällen trug?

Sinn dieser Sache war es wohl nicht, das wusste ich, so verträumt war selbst ich in meiner imaginären Welt dann doch manchmal nicht.

So setzte ich mich wieder an meine Schreibutensilien, schwenkte den Stift und ließ die Worte fließen und meine wahren Gedanken sprießen.

Diesmal würde ich den Menschen schon sagen, was ich wirklich dachte und von jetzt an würden nicht mehr Monate vergehen, bis ich meine Gedanken in die Sprache der Welt übersetzt hatte und für dieses Abenteuer notwendigerweise meine imaginäre Gedankenkappe auf dem Kopf hatte.

Vielleicht ging es ab jetzt auch ohne ;)

Montag, 13. Februar 2017

Ängste sind auch nur kleine Gespenster

Es gibt Gefühle, die sind einfach herrlich.

Man wünscht sie sich am Liebsten ein Leben lang und täglich unendlich viele davon. Vor lauter Glückshormonen auf rosa Wolken gleiten und seine herrlichen Gedanken der ganzen Welt mitteilen. Das Leben ist wunderschön, man bekommt einfach nicht genug davon und so soll es dann auch auf ewig weitergehen.

Hätte der raffinierte Erfinder dieser Welt es nicht anders vorgesehen.

Gäbe es nämlich nicht diese anderen, negativen Gefühle nicht, die uns tief im Inneren erzittern ließen, so könnten wir gar nicht diese Freude verspüren, wenn uns plötzlich nach Leid und Trauer endlich wieder Liebes- und Glücksgefühle berührten.

Ohne einmal richtigen Kummer und Schmerz ertragen zu haben, könnten wir gar nicht das grosse Glück und die Liebe ganz tief in unserem Herzen voller Dankbarkeit erleben. Je grösser das Unglück desto grösser scheint danach das Gefühl des Glücks.

So scheint es zumindest, ist es nicht so?

So gnadenlos ist das Konzept des Lebens und dies zu enträtseln, daran versuchten sich schon so manche klugen Köpfe auf unserer Welt vergebens.

Trauer, Wut, Verzweiflung, Kummer. Freude, Liebe, Hoffnung, Mut.

Alle Gefühle kannte ich nur allzu gut.

Nur ein Gefühl, das war mir bis anhin noch ziemlich neu und sollte mich nun auf Schritt und Tritt verfolgen. Was ich auch tat, ich wurde es nicht los.

Ich konnte es nicht abschütteln, so sehr ich auch bat. Es hatte sich wie ein Schleier über mich gelegt. Manchmal nur ganz fein, wie Morgentau auf einem Blütenblatt. Manchmal jedoch wie ein dicker, schwerer Mantel, als überdimensionaler Ballast.

Es war die Angst.

Woher sie kam, das wusste ich, doch vertreiben ließ sie sich mit dem bloßen Wissen des Ursprungs trotzdem nicht. Das Leben blieb plötzlich für mich stehen, doch ich wollte weitergehen und nicht kostbare Zeit vergeuden mit endlosen Tagen gefüllt ohne Leben. Weiter streben wollte ich nach so viel mehr, wünschte es mir vielleicht ein bisschen zu sehr.

Mein Lachen und meinen Sarkasmus, meine Liebe zu der Natur hatte ich nie verloren, doch etwas Anderes war neu in mir geboren.

Zwei Arten von Angst, mit denen machte ich Bekanntschaft. Die eine war gut, das hatte die Evolution wohl so vorgesehen, denn sie war mein lebensrettender Antrieb, als mein Kopf plötzlich versagte. Es war die beflügelnde Angst und sie trug mich durch die schlimmsten Zeiten.

Angst macht Angst doch braucht man sie auch. Ohne sie gibt man das Leben auf.

Ohne sie wäre das Zebra leichte Beute. Ohne sie wäre ich nicht die von heute. Ohne sie gäbe es kein Adrenalin.

Doch dann gibt es noch eine zweite Angst. Sie kam, nachdem ich bereits so viel Adrenalin hatte, bis ich mich fühlte wie eine überdosierte Laborratte. Es war die lähmende Angst, doch diese verlieh mir gewiss keine Flügel.

Wenn man plötzlich im Schock erstarrt, weil man realisiert, was wirklich mit einem passiert, man so unendlich müde und ausgelaugt ist und das Ziel nach einem neuen Anfang einfach niemals erreichbar scheint. Alle Versuche, das alte Ich zu finden, für immer vergebens scheinen und die Ängste den Kampf gewonnen zu haben scheinen.

Was soll man machen, wenn das passiert?

Das neue Leben akzeptieren und die Ängste verjagen. Sein Schicksal ertragen und die Angst ersetzen, mit Hoffnung und Mut und erhobenem Haupt.

Das Leben ist eine Achterbahnfahrt und das Ticket für die Fahrt, das gibt es geschenkt. Man darf sich auch mal gehen lassen und sich ab und an in seiner Schwäche suhlen.

Doch dann muss man wieder Pläne machen und auch wenn alles noch so ausweglos scheint, täglich wieder Gründe finden, mindestens einmal herzhaft zu lachen, denn auch Ängste sind nur kleine, harmlose Gespenster.