Mittwoch, 29. August 2018

Ein stiller Abschied von dieser Welt

Es war wie so viele Tage in diesem Sommer, ein heisser, sonniger Tag, der die Menschen zur Abkühlung an das Wasser lockte.
Auch mich lockte es an den rauschenden Fluss, der sich entlang an Feldern und Wiesen seinen Weg zum Meer bahnte.

Die ungewöhnliche Hitze machte sich in diesem Jahr in der Natur bemerkbar und stahl ihr die satten Farben seiner sonst so farbenfrohen, lebendigen Vielfalt.
Einmal den Kopf unter kühlendes Wasser zu tauchen, war für Gross und Klein eine erfrischende Wohltat und der Drang danach gross.

Ich lief in der Hitze dem Wasser entlang flussabwärts, um mein sonniges Plätzchen gegen ein wenig Schatten zu tauschen.
Später an diesem Tag sollte ich mich noch fragen, was mich wohl in genau diese Richtung zog.

Gedankenverloren so wie ich meistens durch die Natur lief, wurde ich von Rufen und einem dem Wasser so unüblich nahe kreisenden Hubschrauber aus meiner Tagträumerei gerissen.
Nun bemerkte ich die Menschen, die am Ufer auf das strömende Wasser starrten, hörte Sirenen und  ohne zu fragen wusste ich bereits die Antwort und den Grund für diesen Tumult.

Die Frage, die ich an die suchenden Menschen stellte war nur noch, ob es ein Kind sei, das dort im dunklen Wasser verschwunden war.

Es war ein Kind.

Die Grosseltern standen mit starrem Blick, der auf das Wasser gerichtet ist neben uns am Ufer.
Keine Schreie, nur stille Panik.
Gemeinsam schauten wir nun flussaufwärts nach einem Lebenszeichen ihres kleinen Enkels.

Warum sprang keiner hinterher? Wieso bemerkte keiner rechtzeitig, wie der kleine Körper im Wasser verschwand?
Sinnlose, lautlose Vorwürfe und ich schwanke zwischen Wut und Verzweiflung.
Der Hubschrauber wühlt die trübe Wasseroberfläche bei seiner Suche auf, doch es ist immer noch kein Kind in Sicht.
Ich schaue auf das Wasser und hoffte wie wir alle, endlich etwas zu entdecken, schaue wieder auf die Uhr und teile nicht mehr die Hoffnung der Anderen.
Ich lasse meine Gedanken unausgesprochen und starre weiter auf die dunklen Wellen.
Nun endlich kommen die Taucher und verschwinden neben uns im Wasser.
Die Zeit erscheint ewig und nach scheinbar endlosem Warten taucht ein Kopf aus dem Dunkel auf und in den Armen hält er einen kleinen, blassen, leblosen Körper.

Er läuft an uns vorbei und im Krankenwagen beginnt der Kampf um diesen kleinen Jungen, doch es ist zu spät und er hat diese Welt schon verlassen.

Ein stiller Tod, bei dem wir Zeuge waren. Kein Schrei oder Kampf, nur ein lautloses Verschwinden, das zu lange unbemerkt blieb.
Lautlos für uns, die wir auf das Wasser starrten und was unter der Oberfläche geschah, darüber werden wir für immer im Ungewissen bleiben.

Der Text scheint vielleicht ganz mutlos und traurig zu sein und wer ihn liest an diesem schönen Tag wird sich fragen, warum ich in dieser fröhlichen Sommerstimmung einen so traurigen Text in Worte fasse, doch ich habe das Bedürfnis, diesem kleinen Jungen eine letzte Stimme zu geben.

Das Leben geht ohne ihn weiter und der lautlose Abschied von unserer Welt blieb fast unbemerkt.

Ich nutze meine Stimme und Worte, atme tief durch und halte einmal kurz den Atem an, um dann mit der Hoffnung weiterzumachen, dass dieser leise Tod auch ein friedlicher war.



Für die Eltern und Grosseltern, die wissen sollen, dass sie nicht alleine sind.

Danke Max.


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