Montag, 3. August 2015

Schöne Grüße aus dem Diesseits, lieber Tod. Heute Abend entführe ich dein Diebesgut.

Das Schicksal ist ein mieser Dreckskerl. Mehr kann ich nicht denken, wenn ich in deine strahlenden Augen schaue. Du lächelst mir zu, nur dass ich jetzt vor deinem Grab stehe. Das schöne, eingravierte Foto auf deinem Grabstein sagt: "Lebe, lache und lasse nichts aus!"

Ein Denkmal für die Ewigkeit. Aber auch sonst, wie könnte ich dich vergessen.

Nun liegst du unter der Erde, anstatt mit uns das Stadtfest unsicher zu machen an diesem lauen Frühsommerabend.

Dein Tod war nicht fair, aber das akzeptiere ich nicht. Nicht heute Abend, und deshalb nehme ich dich einfach mit.

"Mach dich fertig. Trödel nicht rum. Ich will endlich los!"

Wie kann der Tod uns so früh trennen? Mit 33 Jahren darf man uns doch das Lebensfrohe nicht rauben, das uns so lange begleitet hat.

Bis dass der Tod uns scheidet?

Nein!

Reicht es nicht, dass Krebs ein Sternzeichen ist und ein krabbelndes Tier? Muss es auch noch eine nutzlose Krankheit sein? Also wirklich, ein bisschen viel für sich beansprucht, würde ich meinen. Leicht egozentrisch, dieser Krebs, aber gut.

Was sollen wir jetzt tun?

Er hat zugeschlagen, und heute schlage ich zurück. Mit Freude statt mit Trauer. Davon hast du ja auch wirklich genug verbreitet, du verrücktes Huhn. Prost! Ach Mensch, dein Bierchen schwappt nicht über beim Prosten, die Gläser klimpern nicht, und jetzt weiß ich auch wieder warum.

Reiß dich zusammen, Simone. Heute Abend bist du stärker als die Trauer und Ala, du bleib bei mir, jetzt hast du dich doch so hübsch gemacht. Lass uns mal tanzen gehen, dann komme ich schon auf andere Gedanken. Immer in Bewegung bleiben, weißt du noch?

Tanzen bis der Morgen graut.

Ich verweile noch ein bisschen hier auf diesem Fleckchen Erde mit dir an meiner Seite und werde dir die Plätze zeigen, die du immer sehen wolltest, und du zeigst mir, mit welchen Augen ich sie sehen soll.

Du wirst mir sagen: "Verzweifle nicht mit deiner Krankheit, sei stärker als sie. Sei fröhlich, habe Hoffnung, das Leben ist schön! Schaue nach oben in den Himmel. Was für wundervolle Farben. Die habe ich dir heute geschickt.

Schaue auf das Meer, schließe die Augen und höre dem Rauschen der Wellen zu. Von meinem wunderschönen Plätzchen aus pfeife ich gerade ein Liedchen und schicke dir damit das sanfte Meeresrauschen mit meinem neu gewonnenen Lebensatem. Nicht von dort, wo du bist, woanders einfach. Getrennt, aber doch zusammen. Wenn du aus dem Haus gehst, dann erwartet dich an jeder Ecke die nächste Katastrophe, du Chaoskind. Warte nicht darauf, sondern suche mich. Ich bin überall. Und falls ich mal nicht da bin, denn auch ich brauche mal eine Pause, dann suche die anderen. Suche den Wind, die Sonne, die Sterne, die Flüsse, das Meer und das Lachen der anderen.

Und wenn einer von dir geht, dann warten wir auf ihn. Sei traurig, das darfst du manchmal sein, aber verzweifle nicht. Sei aber vor allem fröhlich, denn dafür bist du auf der Welt."

So gehe ich nach Hause mit meiner Freundin im Arm, die so fern und doch so nah ist und mit ihrer Botschaft im Herzen. Ich trällere ein letztes Liedchen und bin glücklich. Heute. Morgen vielleicht wieder einmal traurig, aber was ich niemals sein werde ist einsam, denn ich habe meine ewig junge, ewig hübsche, ewig verrückte Ala an meiner Seite, bereit für alles, was die Welt zu bieten hat.

"Liebe Ala, unsere Geschichten bewahre ich für deine zwei Kleinen auf und werde sie vielleicht irgendwann damit zum Lachen bringen, so wie du es immer mit mir gemacht hast. Schlaf gut, auf deiner kleinen Wolke."

Die Welt ist nicht nur wunderbar und sonderbar, sie ist auch manchmal furchtbar traurig. Doch heute Abend bin ich vor allem dankbar und glücklich, und so falle ich ins Land der Träume.
Gibt es eine bessere Form mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?

– (Charles Dickens)

2 Kommentare:

  1. Liebe Seimoni. Schade, kann Ala diesen wunderbaren Freundschaftsbrief nicht lesen. Oder vielleicht doch? Deine Worte tun weh und tun gut. Danke.

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    1. Danke Bärbeli. Ich habe seinen schönen Kommentar erst jetzt gelesen. Danke.

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