Samstag, 22. August 2015

Verwirrendes vom Wissenschaftskanal

Ein amerikanisches Ehepaar und die "Mars One"-Mission. Für alle, die noch nicht informiert sind: Eine Siedlung soll ja auf dem Roten Planeten entstehen. Mit etwa 40 Menschen. Privatisiert und unter niederländischem Recht. Ohne Rückflugticket. Ohne Rückflugticket deshalb, weil es A: zu teuer ist und B: der Weg zu lang. Start soll 2027 sein. Dann nähern sich Mars und Erde so sehr, dass nur acht Monate Flugzeit nötig sind. Der Mars ist ein lebensfeindlicher Planet. Temperaturen von -140 bis +20 Grad erwarten die Astronauten. Zwei Monde hat der Planet zu bieten. Immerhin einer mehr als der Heimatplanet.

Sie sind einer großen Strahlenbelastung ausgesetzt, wenn sie ihre Mutterfähre verlassen, um auf den großen Ausflug ins Unbekannte zu gehen in ihren Druckanzügen, denn so einfach rumspazieren kann man da nicht. Das kennt man ja aber schon von der Mondlandung. Nur war das kein Planet. Darum sind jetzt alle auch so aufgeregt.

Dem Mars fehlt ein Magnetfeld;  so können Sonnenstrahlen jedem, der den Planeten betritt, ungehindert eindringen. Da hilft auch keine Sonnencreme. Die Spätfolgen sind noch unbekannt, aber man kann sie sich denken.

Soweit die Facts.

Einer der 200 000 Bewerber für die Mission ist nun ein Mann, Ende 40, in der Baubranche tätig und Hobbypilot. So weit, so gut.

"Vom Weltall war ich schon immer fasziniert und darum war es für mich ganz klar: Ich bin der Richtige für die Mission."
Gut, wer ist vom Weltall nicht fasziniert? Aber das lassen wir als Bewerbungsgrund erstmal dahingestellt.

"Natürlich liebe ich meine Frau", erzählt er weiter, "aber es ist ein einmaliges Projekt und eine einmalige Chance."

Aha.
"Sicher war die Entscheidung für mich anfangs schwierig. Er wird ja nicht zurückkommen", sagt sie.
"Worum geht es eigentlich?", frage ich mich. Beziehungsprobleme? Das Weltall? Wissenschaft?

Erstmal weiterschauen.
"Etwas ganz Neues erschaffen. Mit neuen Menschen, sich kennen lernen, einander anpassen, in einer völlig fremden Umgebung und neuer Perspektive. Nicht wissen, was einen erwartet", erklärt er enthusiastisch.
"Midlife-crisis?", denke ich.
Vielleicht mal amerikanisches Territorium verlassen und die Welt erkunden. Das soll auch schon geholfen haben. Das hatte das amerikanische Ehepaar nämlich bis jetzt noch nicht getan, wie sich im Interview herausstellte.
Nochmals fügt er felsenfest hinzu: "Ich liebe meine Frau. Natürlich! Aber es dient ja schließlich auch der Wissenschaft."
Wem das noch nicht pragmatisch genug ist, es geht noch besser.
"Leider gibt es noch keine Versicherungen für das Weltall. Das müssen wir uns nochmals genauer anschauen. Auch, was das Erbe betrifft."

So langsam überkommt mich doch das Gefühl, dass es sich hierbei vielmehr um ein Beziehungsdrama handelt. Zur Sicherheit schaue ich nochmals nach, ob ich auch wirklich auf dem Wissenschaftskanal gelandet bin.
Doch, ja.
Das hatten sich die Produzenten sicher anders vorgestellt.
"Wir hatten schon immer eine sehr spirituelle Beziehung. Auf dieser Ebene können wir unsere Beziehung weiterführen und von diesem einmaligen Projekt profitieren", sagt sie.

Na klar. Wie rührend.
"Das Testament haben wir natürlich ändern müssen. Das war im ersten Moment sehr schwierig. Das Haus bekomme ich, das macht natürlich Sinn."

Ja wer denn bitte sonst? Und was bekommt nun er? Die Waschmaschine?

Dieses ganze Übersiedlungsprojekt scheint zum Scheitern verurteilt, wenn die Bewerber nicht ein bisschen mehr Seriosität bekommen und diese Ehe scheint sowieso eine einzige Tragödie. Oder doch vielmehr eine Tragikomödie?
"Warum schreitet denn keiner ein?", möchte ich lauthals schreien und mir am Liebsten noch schnell eine Tüte Popcorn in der Mikrowelle machen. Natürlich, die Einschaltquote. Aber dann hätte man die Doku doch lieber an MTV verscherbeln sollen.
Es kommt, was kommen musste. Der arme Mann fällt aus dem Sieb des Auswahlverfahrens direkt zurück auf die Erde, in die Realität zu seiner gutmütigen Frau, die nun glücklich ist, dass sie ihren Henry für den Rest ihrer Tage auf dem gleichen Planeten, ja sogar im gleichen Bett weiß und nun keine Versicherungen für den Planeten Mars mehr anrufen muss. Das war auch ganz schön mühsam. Und Henry: der bekommt gerade eine kleine Panikattacke, die er aber erfolgreich verbergen kann. Das konnte er ja die letzten Jahre häufig üben.

So geht das Leben erstmal weiter, der Wissenschaftskanal macht kurz Pause vor dem nächsten (hoffentlich wissenschaftlichen) Beitrag und der Mars zieht weiter seine Bahnen und hofft wahrscheinlich, dass all die menschlichen Probleme auch noch die nächsten 100 000 Jahre vorerst auch auf der Erde bleiben.

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