Es war wie so viele Tage in diesem Sommer, ein heisser,
sonniger Tag, der die Menschen zur Abkühlung an das Wasser lockte.
Auch mich lockte es an den rauschenden Fluss, der sich entlang
an Feldern und Wiesen seinen Weg zum Meer bahnte.
Die ungewöhnliche Hitze machte sich in diesem Jahr in der
Natur bemerkbar und stahl ihr die satten Farben seiner sonst so farbenfrohen,
lebendigen Vielfalt.
Einmal den Kopf unter kühlendes Wasser zu tauchen, war für
Gross und Klein eine erfrischende Wohltat und der Drang danach gross.
Ich lief in der Hitze dem Wasser entlang flussabwärts, um
mein sonniges Plätzchen gegen ein wenig Schatten zu tauschen.
Später an diesem Tag sollte ich mich noch fragen, was mich
wohl in genau diese Richtung zog.
Gedankenverloren so wie ich meistens durch die Natur lief,
wurde ich von Rufen und einem dem Wasser so unüblich nahe kreisenden
Hubschrauber aus meiner Tagträumerei gerissen.
Nun bemerkte ich die Menschen, die am Ufer auf das strömende
Wasser starrten, hörte Sirenen und ohne
zu fragen wusste ich bereits die Antwort und den Grund für diesen Tumult.
Die Frage, die ich an die suchenden Menschen stellte war nur
noch, ob es ein Kind sei, das dort im dunklen Wasser verschwunden war.
Es war ein Kind.
Die Grosseltern standen mit starrem Blick, der auf das Wasser
gerichtet ist neben uns am Ufer.
Keine Schreie, nur stille Panik.
Gemeinsam schauten wir nun flussaufwärts nach einem
Lebenszeichen ihres kleinen Enkels.
Warum sprang keiner hinterher? Wieso bemerkte keiner
rechtzeitig, wie der kleine Körper im Wasser verschwand?
Sinnlose, lautlose Vorwürfe und ich schwanke zwischen Wut
und Verzweiflung.
Der Hubschrauber wühlt die trübe Wasseroberfläche bei seiner
Suche auf, doch es ist immer noch kein Kind in Sicht.
Ich schaue auf das Wasser und hoffte wie wir alle, endlich etwas zu entdecken, schaue wieder auf die Uhr und teile nicht mehr die Hoffnung
der Anderen.
Ich lasse meine Gedanken unausgesprochen und starre weiter
auf die dunklen Wellen.
Nun endlich kommen die Taucher und verschwinden neben uns im
Wasser.
Die Zeit erscheint ewig und nach scheinbar endlosem Warten
taucht ein Kopf aus dem Dunkel auf und in den Armen hält er einen kleinen,
blassen, leblosen Körper.
Er läuft an uns vorbei und im Krankenwagen beginnt der Kampf
um diesen kleinen Jungen, doch es ist zu spät und er hat diese Welt schon
verlassen.
Ein stiller Tod, bei dem wir Zeuge waren. Kein Schrei oder
Kampf, nur ein lautloses Verschwinden, das zu lange unbemerkt blieb.
Lautlos für uns, die wir auf das Wasser starrten und was
unter der Oberfläche geschah, darüber werden wir für immer im Ungewissen
bleiben.
Der Text scheint vielleicht ganz mutlos und traurig zu sein
und wer ihn liest an diesem schönen Tag wird sich fragen, warum ich in dieser
fröhlichen Sommerstimmung einen so traurigen Text in Worte fasse, doch ich habe
das Bedürfnis, diesem kleinen Jungen eine letzte Stimme zu
geben.
Das Leben geht ohne ihn weiter und der lautlose Abschied von
unserer Welt blieb fast unbemerkt.
Ich nutze meine Stimme und Worte, atme tief durch und halte einmal kurz den Atem
an, um dann mit der Hoffnung weiterzumachen, dass dieser leise Tod auch ein
friedlicher war.
Für die Eltern und Grosseltern, die wissen sollen, dass sie nicht alleine sind.
Danke Max.